Titelseite

Übersicht

Ein Vorwort

Zur Einführung

Über die Arbeiterbewegung

Auf dem Weg zu einer sozialen Schweiz

Zur Entwicklung der SP im Kanton Bern

Aus der Geschichte der SPU

Der Allgemeine Arbeiterverein Unterseen

Erster Arbeiterverein

Reaktivierung zum zweiten Arbeiterverein

Die sozialdemokratische Partei Unterseen

Namensänderung am 1. Mai 1918

Parteiorganisatorisches

Politisches Wirken in der ersten Nachkriegszeit

Streitpunkte, Stellungnahmen, Entwicklungen

Gleichberechtigung der Frauen

Gemeindewahlen

Schlussbemerkungen

Verzeichnisse

SPU - Parteipräsidenten und Parteisekretäre

SPU-Gemeindepräsidenten und Gemeinderäte

SPU-Mitglieder im Bernischen Grossen Rat

Benutzte Quellen und Publikationen

Gemeindewahlen

1921 - Erste Proporzwahl

Am 22.März 1919 gab SP-Parteipräsident Jossi an einer Parteiversammlung „den Ursprung der Proporzinitiative bekannt. Dann erhielt er den Auftrag, an der Gemeindeversammlung zu begründen." Am 21.März 1921 genehmigte die Gemeindeversammlung das Reglement über die Verhältniswahlen (Proporzwahlen), und schon am 4. und 5.Juni 1921 fanden die ersten Gemeindewahlen gemäss dem neuen Proporz-Wahlreglement statt. Sie brachten mit drei gewählten Sozialdemokraten und einem Grütlianer gleich eine Mehrheit für die Arbeiterbewegung im siebenköpfigen Gemeinderat. Da der Grütlianervertreter Wägeli sich in entscheidenden Fragen aber eher bei den Bürgerlichen anlehnte, entwickelte sich keine gute Zusammenarbeit unter den Vertretern der Arbeiterschaft. Es entstand daraus sogar ein ausgesprochenes Konkurrenzverhältnis, als neben dem im Gemeinderat sitzenden SP-Parteipräsident Johann Jossi, der seit 1920 auch als Grossrat amtierte, der Grütlianer und als Sekretär der Arbeiterunion funktionierende Albert Wägeli ebenfalls in den Grossen Rat gewählt wurde und 1926 nach der Auflösung des Grütlivereins in die SPU übertrat.

1924 - Gemeinsame Listen abgelehnt

Am 6.November 1924 berichtete Grossrat Jossi über eine Sitzung der politischen Parteien von Unterseen in den Drei Schweizern. „Es war ein Vorschlag, eine gemeinsame Liste aufzustellen. Die Mehrheit der Delegierten war jedoch der Meinung, dass das gegen den Proporz sei. Es wird keine gemeinsame Liste aufgestellt. Die Parteien versprechen sich aber gegenseitig, vor den Wahlen nicht eine literarische Woche durchzuführen.

Die Grütlianer wünschen neuerdings Listenverbindung mit unserer Partei. Neuerdings wird einstimmig beschlossen, darauf nicht einzutreten." Die SPU steuerte ihren eigenständigen Kurs mit ganzer Kraft. Am 5.Dezember 1924 wurden alle Radfahrer ermahnt, „sie möchten sich dann Sonntags rechtzeitig beim Falken einfinden zwecks Schleppdienst" bei den Gemeindewahlen.

1928 - Spaltung in der Arbeiterschaft

Die Auseinandersetzung zwischen den Sozialdemokraten und den Kommunisten wegen des eidgenössischen Besoldungsgesetzes 1927 erzeugten auch bei uns Spannungen in der Arbeiterschaft und führten in Unterseen schliesslich zur Bildung einer kommunistischen Partei. Diese gewann jedoch keinen grossen Anhang, die Uneinigkeit hatte aber einen Sitzgewinn der bürgerlichen Parteien zur Folge.

Weit mehr wurde in diesen Jahren die Parteitätigkeit vom Schneiderhandel belastet. Er war zudem überlagert von den Auseinandersetzungen zwischen den beiden Grossräten Jossi und Wägeli. Als der tuberkulosekranke Jossi sich 1930 als Grossrat nicht mehr aufstellen liess und wenig später starb, dafür aber der von der SPU portierte Wägeli gewählt wurde und anschliessend aus der Partei austrat, blieb in der Partei ein grosser Scherbenhaufen zurück.

1932 - Intensiver Wahlkampf

Bei der SP wehte ein frische Wind. Ihre Flugblätter und Zeitungsartikel wurden von einem jungen Lehrer namens Gottfried Beyeler geschrieben. Ein Aufruf begann:

„Werter Mitbürger!

Wieder werben die Parteien um Deine Stimme und Du machst Dir Gedanken darüber, wem Du diesmal Deine Stimme geben kannst. Überlege Dir folgendes:

Die ganze Welt schmachtet unter der Geissel der Wirtschaftskrise. Der Kapitalismus, einstmals Grosses schaffend, ist unfähig geworden, ungezählten Millionen Arbeit und Brot zu verschaffen. Auch in unserem Lande mehren sich täglich die Opfer dieser unsinnigen Wirtschaftsordnung, die Getreide verbrennt, Kaffee versenkt und die Menschheit verhungern lässt. Da stellt sich jeder die Frage: Wann ist die Reihe an mir? Und jeder sagt: So kann es nicht mehr weitergehen!" ...

Willst Du, dass der Kurs weiterhin auf Not und Verelendung geht, wähle bürgerlich. Willst Du aber so handeln, wie es Deine wirtschaftliche Stellung verlangt und Deinen Interessen entspricht, dann trete ein in die grosse Front der Werktätigen und wähle sozialdemokratisch."

Ein Kommentator schrieb im Oberländischen Volksblatt:

„Das arme Aarestädtchen, das sich eben erst aus den schlimmen Kriegs- und Nachkriegszeiten herausarbeitete, bekommt durch die Krisenzeit, die neue Sorgen und Mühen über das ganze Land auschüttet, Pflichten zugewiesen, die nicht auf die leichte Achsel genommen werden können."

Die Kommunisten beteiligten sich an diesen Wahlen, hatten aber keinen Erfolg. Darauf verschwanden sie wieder. Unterseen war in der Krisen- und Zwischenkriegszeit mehrheitlich bürgerlich. Doch die SP errang mit Hans Wirth in der nach dem Majorzverfahren zu wählenden Ratsleitung erstmals den Vicepräsidenten, und zwar auf Anhieb. Dagegen zersplitterten sich die bürgerlichen Parteien im einem nachfolgenden Kampf um den Präsidenten. „Vor der Stichwahl unter zwei Bürgerlichen flatterten während den letzten zwei Tagen mindestens neun gedruckte Flugblätter von Hand zu Hand."

1936 - Teilnahme der Bauernheimatbewegung (JB)

Es war die Zeit des Frontenfrühlings, als in Deutschland die Naziherrschaft aufgerichtet wurde. Die im Volk als Jungbauern bezeichnete Bauernheimatbewegung stand im Gegensatz zum Freisinn und zur Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei. Sie galt bei uns als deutschfreundlich und wandte sich vor allem an die kleineren Bauern. Sie versuchte aber auch, bei den Arbeitern und Angestellten ihre Stimmen zu holen. In Unterseen gewannen die Jungbauern einen Sitz, aber zu Lasten der BGB.

1940 - Stille Wahlen in der Kriegszeit

Auf Initiative der SP vereinbarten die damaligen vier Unterseener Parteien (SP, FdP, BGB, JB) im zweiten Kriegsjahr unter gegenseitiger Besitzstandwahrung am 16.Oktober 1940 stille Wahlen und reichten anschliessend eine einzige gemeinsame Liste ein. Sie teilten darauf der Bevölkerung in der Presse mit:

„Für die anfangs Dezember stattfindende Neubesetzung der Gemeindebehörden haben die politischen Parteien und Gruppen beschlossen, auf einen Wahlkampf zu verzichten und für die nach dem Majorz und dem Proporz zu wählenden Behördemitglieder einen gemeinsamen Wahlvorschlag einzureichen. Es soll damit in der heutigen Zeit besonders sinnlose gegenseitige Befehdung der Parteien, die sich seit Jahren zum Wohle der Gemeinde zu sachlicher Zusammenarbeit gefunden haben, vermieden werden.

Als Ausdruck des Willens zu positiver Arbeit werden die Parteien an Stelle der ausfallenden Wahlkosten dem Frauenverein gemeinsam einen Betrag von

200 Fr. für die Weihnachtsbescherung bedürftiger Schulkinder überweisen."

1944 - Zeit zum Aufbruch

Die Erlebnisse im zweiten Weltkrieg förderten im Volk die Solidarität. Diese Grundhaltung verhalf den Sozialdemokraten im ganzen Land zu grossen politischen Erfolgen, die mit den Forderungen erreicht wurden: „Das Kapital in den Dienst der Arbeit - die Wirtschaft in den Dienst des Volkes - die Steuerlasten gerecht verteilen - für die Alten sorgen - gegen Arbeitslosigkeit und für Vollbeschäftigung kämpfen - für bessere Löhne und gegen die Teuerung." In den Gemeindewahlen im Dezember 1944 steigerte die SPU ihre Wählerzahl um 209 Wähler auf deren 462. Sie stellte erstmals den Gemeindepräsidenten und gleich fünf von sieben Gemeinderäten. Hinter diesem Erfolg stand der begeisterte Einsatz von vielen Vertrauensleuten der Partei. Die Jungbauern verloren gleichzeitig ihren einzigen Sitz. Ein bürgerlicher Wahlkommentator schrieb:

„Die Linke hat frühzeitig ihren Willen bekundet, für die kommenden vier Jahre die schwere Verantwortung einer Mehrheitspartei zu übernehmen; diese Aufgabe ist ihr nun auch zugefallen. Wir geben zu, dass sie in die neuen Behörden eine ganze Reihe von Bürgern stellt, die zu einer aufbauenden und initiativen Arbeit gewillt und fähig sind. Die Jungbauern hätten bei offenen Wahlen wohl schon vor vier Jahren ihre bisherige Vertretung eingebüsst. Hätten sich nicht noch einige Parteilose vor ihren Wagen spannen lassen, wäre ihre Stimmenzahl noch bedeutend kleiner."

1946 - Flucht aus dem Gemeinderat

Im August 1946 trat Gemeindepräsident Werner Meuter auf Ende des Jahres von seinem Amt zurück. Er begründete seinen Schritt mit seinem schlechten Gesundheitszustand, doch verbargen sich dahinter starke parteiinterne Spannungen, weshalb anschliessend die SP-Gemeinderäte Roth, dann auch Götz und Schlegel demissionierten. Auf den gleichen Zeitpunkt zogen sich ebenfalls der bürgerliche Gemeindevicepräsident und ein gemeinderätlicher Parteikollege von ihren Ämtern zurück, wobei in der Presse behauptet wurde, dass dies „Ausdruck der Ermüdung vom Sichherumschlagen mit einer unbelehrbaren sozialdemokratischen Gemeinderatsmehrheit sei." Dies veranlasste den Gemeinderat Unterseen schliesslich am 18.Dezember 1947 zu einer öffentliche Erklärung, wonach

„sämtliche Ratsmitglieder aller im Gemeinderat vertretenen Parteien, der Bürgerpartei, der Freis.dem. Partei und der Sozialdemokratischen Partei feststellen, dass sich die Arbeit in unserer Behörde im Geiste gegenseitiger Achtung, absoluter Lojalität und allseitiger positiver Mitarbeit zum Wohle der Gemeinde abwickelt."

Der Gemeinderat wurde nach den gesetzlichen Vorschriften komplettiert und funktionierte die restlichen zwei Jahre der Amtsperiode in anderer Zusammensetzung unter dem neuen Gemeindepräsidenten Hans Wirth weiter. In der folgenden Gemeindewahl 1948 wurden die Gemeindebehörden für die nächste Amtsperiode auf sozialdemokratischer Seite vorbehaltlos und gesamthaft mit den gleichen Parteistärken bestätigt.

1952 - Wahlen ohne Beteiligung der bürgerlichen Parteien

Am 14.Februar 1952 besprachen die SPU-Behördemitglieder an einer gutbesuchten Fraktionssitzung im Stadthaus die Grundsätze, die bei einer beabsichtigten Revision des aus dem Jahre 1921 stammenden Organisationsreglementes der Gemeinde wegleitend sein sollten. Während die Wahlart des Gemeinderates im Proporzverfahren an der Urne, wie dies nach dem ersten Weltkrieg von der SP erkämpft worden war, unbestritten blieb, wurde festgehalten, „dass bei einer Wahl der Kommissionen durch den Gemeinderat eine Beschneidung der Demokratie entstehen würde, andererseits dem gegenüber erläutert, dass es auch einige Vorteile biete, wenn dieselben vom Gemeinderat bestimmt würden." Diese Grundfragen, aber auch die Chefbeamtenwahlen, boten Anlass zu einer lebhaften Diskussion, die sich in vielen Einzelheiten verlor. Darauf bestimmte die Parteiversammlung vom 26.März vier Vertreter in eine siebenköpfige Reglementskommission der Gemeinde, im Bewusstsein, dass ihnen „ein reiches Arbeitsfeld vor unserem Wahlkampf im Herbst" warte. An der Parteiversammlung vom 19.September 1952 wurde über das Resultat der Kommissionsberatungen informiert, dass „vieles weichen und neu gefasst werden musste, denn auch im Stedtli bleibt die Zeit nicht still, war doch das alte Reglement seit 1921 in Kraft." Bei der Beratung des im Organisationsreglement integrierten Proporzreglementes wurde aus der Versammlung heraus beantragt, die Möglichkeit zur Listenverbindung zu streichen. Dem Begehren wurde zugestimmt. Ein entsprechender Antrag zuhanden der Gemeindeversammlung sollte gestellt werden „und somit ein reger Aufmarsch gesichert sein". - An der Parteiversammlung vom 3.Oktober 1952, an der 51 Mitglieder anwesend waren,

„schilderte der Vorsitzende die heutige Lage zufolge des an der letzten Gemeindeversammlung gemachten Antrages (Aufhebung der Listenverbindung, wie auch stille Wahl des Gemeindeschreibers und des Kassiers), welch ersteres besonders in dem gegnerischen Lager wie eine Bombe gewirkt hat, und sie heute, wie sie sagen, (für die Gemeindewahlen) keine Liste mehr aufstellen wollen."

Es sei deshalb einem besonders eilig zusammengestellten Ausschuss aus dem Kreis des Gemeinderates nötig erschienen, ohne vorherige Parteikonsultation in einer Unterredung die Argumente für diese Stellungnahme zu ergründen, um sie hier bekanntzugeben, „damit selbst der Hinterste unter uns bei etwelchen Zusammenkünften auch mit den Gegnern voll in der Lage sein soll, die wahren Begebenheiten zu wissen und zu sagen." An der Vorstandsitzung vom 5.November wurde beschlossen, eine volle Liste einzureichen. „Sollte die bürgerliche Seite wirklich keine einreichen", wäre „die Liste auf den heutigen Stand zu reduzieren." An der Parteiversammlung vom 21.November wurde die Einigkeit in der eigenen Partei beschworen,

„dies besonders, da heute in den Reihen unserer Gegner (Freisinn und Bauern- und Bürgerpartei) gar keine Einigkeit herrscht und wahrscheinlich von dieser Seite keine Liste eingereicht werde, was uns aber nicht in den Schlaf wiegen möchte, besonders da in diesem Falle die Nominationen von unserer Seite gestellt werden müssen und die Arbeit in den kommenden vier Jahren keine geringe sei. ... Um in den kommenden Wahlen ein gesundes Verhältnis zu haben, wäre es jedoch gut, wenn je ein Vertreter der Bauernsame und des Gewerbes aufgestellt werden könnte. Doch wer? Um dies alles noch zu bereinigen, wird dem waltenden Partei-Wahlausschuss die nötige Kompetenz erteilt, damit wir am Jahreswechsel einen vollständigen Gemeinderat haben."

An einer ausserordentlichen Vorstandsitzung am späteren Sonntag nachmittag des 30.Novembers wurde bekanntgegeben, „da die Bürgerlichen keine Vorschläge zur Gemeindewahl bis dato, wie verlautet, weder eingereicht noch vorbereitet hätten, liege es nun an uns, das Gemeindeschiff auf eine gesunde und gute Fahrt zu bringen. Genosse Beyeler, der verschiedentlich versucht hat, die Bürgerlichen und Bauern doch noch zu gewinnen, brachte die Nomination von Feuz Hans, Landwirt und Sigg Jean, Aufzugsrevisor, die zu portieren wären, um die Verantwortung doch noch zu einem Teil zu teilen." Der Parteivorstand kam zum Schluss, „1. eine volle Siebner-Liste bei Eingabe einer Liste von anderer Seite, und 2. eine Fünfer-Liste für den Gemeinderat und eine Freie Liste mit zwei Nominationen" einzureichen.

Nachdem keine bürgerlichen Wahllisten zustande kamen, reichte die SP ihre nach der zweiten Variante vorbereiteten Listen ein, und es erfolgten für die Amtsperiode 1953-1956 stille Wahlen. Als Gemeindevizepräsident war Spitalverwalter Adolf Seiler zur Mitarbeit bereit. Er trat später in die BGB ein und blieb bis 1959 in diesem Amt. Für die Ernennung der vom Gemeinderat zu wählenden Kommissionen erteilte der Parteivorstand bei seinen Beratungen am 16.Januar 1953 an zwei Mitglieder den Auftrag, „mit den Bürgerlichen nochmals Fühlung aufzunehmen, damit diese ihrerseits einige Nominationen treffen." Im Jahresbericht 1953 an die Hauptversammlung der SPU fasste der Parteipräsident das politische Geschehen in Unterseen zusammen:

„Eine merkwürdige Situation. In Unterseen beteiligten sich die bürgerlichen Parteien an den Gemeindewahlen nicht mehr und überliessen alle Arbeit den Sozialdemokraten! Aus Trotz und 'Täubi', wie sie öffentlich sagten, doch wohl aber aus einer inneren Parteikrise heraus, die sie nun geschickt verdecken zu können glaubten. Besinnt ihr Euch noch an den lustigen Ausspruch des Gemeindepräsidenten, der damals sagte: Und wer glaube, dass es nun nicht mehr gehe, der müsse riskieren, dass es trotzdem gehe!"

1964 - Überempfindliche Reaktion

Der Gemeinderat unternahm allsommerlich einen gemütlichen Tagesausflug mit einem guten Essen. Ausnahmsweise ging es einmal höher. So wanderte in diesen Jahren eine gemeinderätliche Gruppe vom Jungfraujoch aus auf das obere Mönchsjoch, und drei Seilschaften mit zwei beigezogenen Bergführern bestiegen sogar die Jungfrau. Solch gemeinsame Erlebnisse erleichterten das Verarbeiten von Meinungsverschiedenheiten oder persönlichen Spannungen.

Im Vorfeld zu den gegen Ende des Jahres 1964 stattfindenden Gemeindewahlen führte die SP im Sommer eine Umfrage durch, um der Bevölkerung die Gelegenheit zu geben, ihre Wünsche und Vorstellungen für die Weiterentwicklung der Gemeinde in die Behördearbeit einzubringen, ähnlich, wie dies anderwärts selbst bürgerliche Parteien getan hatten. Zur gleichen Zeit plante der Gemeinderat seinen traditionellen Ausflug, im Jahr der Landesausstellung an die EXPO in Lausanne mit einem Abenteuer in Auguste Piccards Unterseeboot. Als die Umfragebogen in die Haushaltungen flatterten, ärgerten sich die bürgerlichen Gemeinderäte wegen der erzielten Propagandawirkung in der Bevölkerung dermassen, dass sie eine Sitzung aus Protest verliessen und sich weigerten, am gemeinsamen Ausflug teilzunehmen. Die Ratsreise fiel ins Wasser; bei dieser Verweigerung dürfte bei Einzelnen auch Angst vor der Tauchfahrt in die Tiefen des Genfersees eine Rolle gespielt haben. Trotz der Aufregung brachten die Wahlen keine Verschiebung der politischen Gewichte in der Gemeinde. Hingegen machte in der anschliessenden Amtsperiode die Wahl des Gemeindepräsidenten Fritz Oester zum Regierungsstatthalter des Amtsbezirks Interlaken innerhalb der Gemeinde eine Neubesetzung des Präsidiums nötig. Der Wechsel erfolgte in stiller Wahl.

1980 - Parteienzersplitterung

In Unterseen wurde seit der Einführung der Proporzwahlen im Jahre 1921 die Geschicke der Einwohnergemeinde bis zum Jahr 1980 von den drei historischen Parteien SP, FdP und BGB (heute SVP) bestimmt. Nur in der Krisenzeit der Dreissigerjahre und der anschliessenden Kriegszeit reichte es den Jungbauern zu einem kurzen Gastspiel im Gemeinderat. Nach dem zweiten Weltkrieg meldeten sich zu Beginn der Sechziger Jahre eine aus Handel, Gewerbe und Handwerkerkreisen stammende, mit HGH bezeichnete Gruppe, im Volk „die zornigen jungen Männer" genannt, die zur bürgerlichen Politik in Oposition standen. Es gelang ihnen, einen Sitz auf Kosten der SVP zu gewinnen, doch fanden sie sich innert kurzer Zeit zu ihrer Stammpartei zurück. Nach einem vergeblichen Versuch des Landesrings der Unabhängigen (LdU), anfangs der Siebzigerjahre im Stedtli Fuss zu fassen, kam es anschliessend zu einer neuen Entwicklung. Anfangs der Achzigerjahre traten auch bei uns neue politische Gruppierungen auf, wie die Evangelische Volkspartei (EVP), die Freien Bürger Unterseen (FBU) und die Liberalsozialistische Partei (LSP). Sie sprachen Wählerkreise an, die vorher ohne diese Alternative meist den Sozialdemokraten gestimmt hatten. Später kam noch die Eidgenössisch-demokratische Union (EDU) dazu, welche eher ins bürgerliche Lager eindrang. Damit wurden die politischen Kräfte in unserer Gemeinde ähnlich wie im Kanton aufgesplittert, was eine klare und gradlinige Führung der Gemeindegeschäfte erschwerte.

Für die SPU brachte diese Entwicklung fast unausweichlich den Verlust der über vierzig Jahre lang innegehabten Mehrheitsstellung in der Gemeinde.

1988 - Eine Wende

Seit dem Jahre 1944 trug die SP als Mehrheitspartei die Hauptverantwortung für die Gemeindegeschäfte. Sie berief in dieser Zeit regelmässig ihre Behördemitglieder zu Fraktionssitzungen zusammen, um offene und entscheidende Fragen im Voraus zu diskutieren und miteinander abzuwägen. In der Zeit der starken Dominanz nahmen vierzig bis fünfzig Personen an solchen Zusammenkünften teil. Dabei war es unvermeidlich, dass in Sachfragen etwa Meinungsverschiedenheiten auftauchten, bisweilen auch bestehen blieben und mit der Zeit zu Abnützungs- und Ermüdungserscheinungen führten. Trotzdem trugen die Partei und ihre Exponenten während ihrer Mehrheit im Gemeinderat über alle Jahre die hohe Belastung mit dem Willen, für die gesunde Entwicklung unserer Gemeinde Wesentliches beizutragen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges veränderte sich mit der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage auch das Denken und Handeln in unserer Bevölkerung. Mit den guten Steuerzahlern, welche das schöne Bauland im Stedtli entdeckt hatten, vermehrt bei uns Häuser bauten und zu einer erfreulichen Entwicklung der Gemeinde beitrugen, verschob sich die politische Zusammensetzung im Stimmvolk und anschliessend in den Behörden. Diese Veränderungen führten zusammen mit der entstandenen Parteienzersplitterung bei den Proporzwahlen zu entsprechenden Sitzverschiebungen. Bei den Majorzwahlen trat die Veränderung etwas verzögert ein. Sie wurde schliesslich begünstigt durch Rivalitäten unter zwei SP-Vertretern im Gemeinderat. Dem von der Partei in einem demokratischen Verfahren für das Präsidentenamt portierten Alfred Gafner trat der unterlegene Hans Schütz entgegen. Dieser wurde schliesslich in einer Stichwahl überparteilich unterstützt und mit 1086 gegen 752 Stimmen gewählt, worauf er aus der SP austrat, um sein Amt als Parteiloser zu führen. Das Sprichwort „Einigkeit macht stark" wirkt für die SPU bis in die Gegenwart mit seinem Gegenteil: Uneinigkeit schwächt!