Titelseite

Übersicht

Ein Vorwort

Zur Einführung

Über die Arbeiterbewegung

Auf dem Weg zu einer sozialen Schweiz

Zur Entwicklung der SP im Kanton Bern

Aus der Geschichte der SPU

Der Allgemeine Arbeiterverein Unterseen

Erster Arbeiterverein

Reaktivierung zum zweiten Arbeiterverein

Die sozialdemokratische Partei Unterseen

Namensänderung am 1. Mai 1918

Parteiorganisatorisches

Politisches Wirken in der ersten Nachkriegszeit

Streitpunkte, Stellungnahmen, Entwicklungen

Gleichberechtigung der Frauen

Gemeindewahlen

Schlussbemerkungen

Verzeichnisse

SPU - Parteipräsidenten und Parteisekretäre

SPU-Gemeindepräsidenten und Gemeinderäte

SPU-Mitglieder im Bernischen Grossen Rat

Benutzte Quellen und Publikationen

Der Allgemeine Arbeiterverein Unterseen

Erster Arbeiterverein

Gründungsversammlung am 15.Januar 1899

Das erste erhalten gebliebene Dokument aus der Geschichte der Arbeiterbewegung in Unterseen trägt auf dem Deckel die Aufschrift: „Protokollbuch des Allg. Arbeiter-Vereins Unterseen". Im Innern beginnt es direkt mit der Überschrift und dem dazugehörigen Bericht über die Gründungsversammlung:

„Hauptversammlung, Sonntag, 15.Januar 1899, nachmittags 11/2 Uhr.

Als Tagespräsident wurde gewählt Gen.Grünig; als Sekretär Jakob Häsler; als Stimmenzähler Fr.Hirni und Jakob Imboden. Hierauf folgte die Berathung der Statuten, welche artikelweise abgelesen wurden. Bei Art.4 stellt Chr. Rubin den Antrag, das Eintrittsgeld von 40 auf 50 Cts. zu erhöhen, derselbe wird von der Versammlung verworfen. Bei Art.7 wurde hinzugefügt: Ein jedes Mitglied ist verpflichtet, eine auf ihn gefallene Wahl auf eine Amtsdauer anzunehmen. Dieser Paragraph wurde angenommen.

Die Monatsversammlungen wurden statt alle drei Wochen auf vier Wochen festgesetzt. Hierauf fand die Wahl des Vorstandes statt, welche folgendes Resultat ergab:

Präsident: Daniel Grünig; Vicepräsident: Gottfried Sterchi; Sekretär: Karl Michel; Kassier: Jutzeler; Weibel: Peter Hirni und Fritz von Allmen; Beisitzer: Chr. Rubin; Rechnungsrevisoren: Brog, Balsiger und Kurt; Delegierte in die Arbeiter-Union: Mägerli, Rubin und Beer. Es wurde beschlossen, die Zahl der Mitglieder an die Arbeiter-Union auf 40 festzustellen."

Mit der Beratung und Genehmigung von vorbereiteten Statuten und der Wahl des Vereinsvorstandes war der „Allgemeine Arbeiterverein Unterseen" gegründet. Der Verein beschloss dabei entgegen einem vorgeschlagenen dreiwöchigen Versammlungsrhythmus nur alle vier Wochen zusammenzukommen. Der Zweckartikel dürfte ähnlich gelautet haben, wie er für den in der gleichen Zeit gegründeten Allgemeinen Arbeiterverein der Parquet- und Chaletfabrik festgehalten wurde und erhalten geblieben ist:

„Art.1 Der Verein stellt sich die Aufgabe, die Interessen der organisierten Arbeiter zu fördern und zu schützen und unter seinen Mitgliedern das Solidaritätsgefühl (d.h. das Gefühl zur Verpflichtung in den verschiedenen Wechselfällen des Lebens sich gegenseitig helfend, belehrend und beratend beizustehen), das Streben nach bildender Vervollkommnung und denkendem Schaffen wachzurufen und dieselben zu strenger Erfüllung, sowohl der allgemein menschlichen wie beruflichen und bürgerlichen Pflichten anzuregen."

Wo die Gründungsversammlung stattfand, ist nicht festgehalten. Auf dem Bödeli bestand bereits eine übergeordnete Organisation, die Arbeiter-Union. Der Allgemeine Arbeiterverein Unterseen war dort von allem Anfang an Mitglied, bestimmte dafür drei Delegierte und meldete als Bestand 40 Mitglieder. Man sprach sich gegenseitig mit dem noch unbelasteten Namen „Genosse" an. Ein Mitgliederverzeichnis ist nicht erhalten geblieben. Aus den im ersten Vereinsjahr im Protokoll an Einzelne zugeteilte Aufgaben lässt sich belegen, dass Mitglieder waren: Ärni, von Allmen Fritz, Balsiger Alex, Beer, Beuggert Albert, Dietrichs, Gross Heinrich, Grünig Christian, Grünig Daniel, Häsler Jakob (später Mitglied des Schneiderfachvereins), Hirni Fritz, Hirni Peter, Hochstrasser, Huggler Gottlieb, Imboden Jakob, Jutzeler Jakob, Jäck Kurt, Ledermann Christian, Mägerli Johann, Michel Karl, Münger A., Roth Eduard, Rubin Christian, Schallenberg Friedrich, Schmocker Johann, Schuler Albert, Sterchi Gottfried, Strauss Eduard, Strauss Lebrecht, Zenger Fritz, Weber Johann, Wyss Christian, Wymann, Zingg.

Aus dem ersten Vereinsjahr

Der Verein zeigte eine rege, politisch ausgerichtete Tätigkeit. Die Arbeiterschaft drängte, den ihr zukommenden Platz in der Gesellschaft zu erreichen und von ihr beachtet und ernstgenommen zu werden. Die wichtigsten Anliegen und Vorkommnisse waren:

1899, den 12.Februar

„Die Monatsversammlungen sind auf einen Wochentag zu versetzen.

Eine Kollekte für die Familie des Gen. Bärtschi ergab 2 Fr. 50 Cts.

Hierauf hielt Genosse Kunz ein lehrreiches Referat über den Nationalratswahl-

proporz."

Das Thema war aktuell, weil noch kein bernischer Sozialdemokrat im Nationalrat sass und keiner im geltenden Majorzwahlsystem eine Chance zur Wahl hatte. Im Herbst des Jahres 1899 verzichtete die Arbeiterunion dann auch auf die Teilnahme an den Nationalratswahlen.

1899, den 6.April

„Begehung der Maifeier. Zur Maifeier wurde beschlossen, Beteiligung an derselben jedem freizustellen. Wenn jedoch das Referat am Abend abgehalten würde, so sollte womöglich ein jeder erscheinen.

Unter Unvorhergesehenem wurde der Antrag gestellt, man sollte sich umsehen für ein geeigneteres Lokal, sodass man mehr öfters zusammen kommen könnte. Auch wurde beschlossen, einige socialpolitische Zeitungen zu abonnieren. Der Vorstand wurde beauftragt, dieses durchzuführen."

Mit dieser Protokollnotiz ist eindeutig belegt, dass auf dem Bödeli schon vor der Jahrhundertwende 1.Maifeiern durchgeführt wurden.

1899, den 13.April, abends 81/2 Uhr

„Traktanden: 1. Lokalfrage, mit Herrn Fahrni, Wirt zum Sternen. Herr Fahrni offeriert dem Verein ein Lokal gratis zur Verfügung, mit Ausnahme das Licht. Es wurde beschlossen, einen schriftlichen Vertrag mit ihm zu machen.

2. Fabrikgesetz. Über das Fabrikgesetz wurde beschlossen, eine Diskussionsstunde abzuhalten.

3. Schreiben an den Einwohnergemeinderat. Der Einwohnergemeinderat soll in einem Schreiben ersucht werden, die Versammlungen auf einen Abend oder auf Sonntag nachmittag zu verlegen. Ebenfalls sei eine Vertretung bei kantonalen und eidg. Abstimmungen im Wahlausschuss zu erlangen.

Im Verschiedenen wird die Anregung gemacht, alle 14 Tage eine Sitzung abzuhalten, was auch zum Beschluss kam. Jedoch wird diese zweite Sitzung ohne Busse abgehalten, nur bei Monatsversammlungen wird unentschuldigtes Ausbleiben mit 20 Cts. gebüsst. Ferner wird beantragt, einen Aufruf zur Gründung einer Bibliothek in der Arbeiterstimme und Berner Tagwacht zu erlassen. Dieses wurde einstimmig begrüsst."

Die Versammlungen fanden im „Sternen", dem heutigen „Rössli" statt. Der Verein wurde straff geführt. Wer den Monatssitzungen fernblieb und sich nicht entschudigte, zahlte nach Statuten eine Busse. Die Arbeiter wollten an den Gemeindeversammlungen teilnehmen können und verlangten vom Gemeinderat, diese nicht unter der Woche über Tag anzusetzen, wo nur die Bauern und die selbständigen Gewerbler hingehen konnten.

1899, den 17.April

„Ausserordentliche Versammlung, abends 81/2 Uhr

Da sich schon eine ordentliche Zahl Abnehmer der Consumgenossenschaft angemeldet hat, musste ein Verwaltungsrat gewählt werden. Gewählt wurde Genosse Grünig, Präsident.

Am Platz des ausgetretenen Mitgliedes Ärni, der ebenfalls Beisitzer in der Arbeiter-

union war, wurde an dessen Stelle Genosse Alex Balsiger gewählt."

Der Arbeiterverein beteiligte sich aktiv an der als Selbsthilfeorganisation wirkenden Konsumgenossenschaft und wurde dazu von allem Anfang an beigezogen.

1899, Samstag, den 29.April, abends 81/2 Uhr

„Monatsversammlung, anwesend 31 Mann.

Über die Maifeier wurde beschlossen, sich zahlreich am Abend beim Referat einzufinden. Es wurde beschlossen, sich abends 7 Uhr im Lokal zu versammeln und in Corpore sich zu beteiligen.

Betreff der Diskussion des Fabrikgesetzes wurde erwähnt, sich an der Diskussionsstunde des Grütlivereins, der sämtliche Vereine dazu einladet, zu beteiligen, da wir selber noch nicht im Besitze eines Fabrikgesetzbuches sind.

Schluss der Sitzung 101/2 Uhr, anwesend 36 Mann."

Die Zusammenarbeit mit dem Grütliverein wurde vom Arbeiterverein als eine Selbstverständlichkeit hingenommen.

1899, Dienstag, den 9.Mai

„Ausserordentliche Sitzung. Auf Einladung des Unionspräsidenten Genosse Zimmermann an die sämtlichen Vereinspräs. am 5.Mai betreff Waldfest bringt Genosse Grünig vor, ob dieses Jahr ein Waldfest stattfinden soll und in welcher Weise. Genosse Zimmermann erläutert dasselbe und spricht sich darüber aus, dass es dieses Mal besser organisiert werde. Ferner bringt er in Anregung auf eine costümierte Gruppe am Wege und eine Anzahl Kinder, die sich ebenfalls am Zuge beteiligen sollen.

Jedoch werden die Kinder zu den Festspielen eingeladen und auf dem Festplatz soll etwas Essen und Trinken verabfolgt werden. Nach kurzer Diskussion wurde beschlossen, ein Waldfest abzuhalten. Ferner wurde beschlossen, die Festwirtschaft der Union zu überlassen."

Der neugegründete Arbeiterverein wurde demnach gleich in das allgemeine gesellschaftliche Geschehen einbezogen. Mit der Durchführung des Waldfestes, das schon in früheren Jahren stattgefunden hatte, wurden die Vereinsmitglieder stark belastet. Es ergab bei Einnahmen von Fr. 756.75 und Ausgaben von Fr. 567.65 ein „Benefiz" von

Fr. 175.10. Ob der sommerliche Anlass im heute noch so geheissenen Waldfestwäldchen am Lombach stattfand, lässt sich aufgrund des Protokolls nur vermuten. Und schon im ersten Sommer des Bestehens eröffnete der Verein einen Fonds zur Anschaffung einer Fahne.

Der Arbeiterverein Unterseen nahm neue Mitglieder auf, so aus Unterseen Brog Albert, Brönnimann Samuel, Zimmermann, Götz Eduard, Korbflechter, Gysi Christian, Gysi Gottfried, Schuhmachers, Müller Samuel, Dachdecker, Wenger Robert, Zimmermann, aber auch auswärtige Mitglieder, so Michel Alex, Schnitzler und Urfer Johann, Fabrikarbeiter von Bönigen, dazu Leuthold Kaspar und Michel Emil, Handlanger, von Brienz, Gertsch Johann von Lauterbrunnen und Kunz Emil, Handlanger, von Grafenried, sowie die Genossen Meier, ein Zimmermann von Bubendorf, und Tschudin, ein Zimmermann von Langenberg, beides im Baselland. Der Vorstand sollte sogar die Ringgenberger zu einer Versammlung einladen, um sie „zum Eintritt in unsern Verein zu gewinnen". Umgekehrt wurde das Mitglied namens Hochstrasser „wegen mehrmaligen Beschimpfungen gegenüber dem Vorstand" aus dem Verein ausgeschlossen, und Fritz Zimmermann gab den Austritt, „welcher von unserer Mitte nicht bedauert wird". Die Mitgliederbeiträge einzutreiben war für den Vorstand oft eine schwierige Sache. Sie sollten von den Mitgliedern jeweils vor Versammlungsbeginn dem Kassier abgegeben werden.

Aus Solidarität wurde für ausgesperrte Schuhmacher in Pruntrut und für ebensolche Arbeiter in Dänemark gesammelt; dagegen wurde ein Beitrag an die Prozesskosten der Arbeiterunion Bern wegen des Käfigturmkrawalls von 1893 abgelehnt und auf ein zweites Bittschreiben nicht eingetreten. Eine Sammlung für einen brandgeschädigten Gottfried Kolb im Lombachzaun wurde eingeleitet und, weil er nicht Mitglied des Vereins war, wieder fallengelassen. Es galt daneben, politischen Widerstand zu überwinden. Bäcker Ellenberg „versteht es nun, da nun ein Consum in hiesiger Ortschaft besteht, einige Mitglieder sowie unsern Präsidenten zu beschimpfen, weil sich jetzt einige Arbeiter von ihm abgewendet haben und ihre Lebensmittel auch im Consum beziehen".

An der Monatsversammlung vom 21.Oktober 1899 wurde von zwölf Mitgliedern des Arbeitervereins beschlossen, zusammen mit „den bisherigen Mitgliedern des Männerchores Unterseen" einen Arbeiter-Männerchor zu bilden. Er wurde am Dienstag, den 24.Oktober im Sternen gegründet, wobei wegen Widerstands gegen eine Namensänderung der alte Name „Männerchor Unterseen" beibehalten wurde. Daraufhin wurde den sangesfreudigen Mitgliedern des Arbeitervereins Unterseen empfohlen, dem Arbeiter-Männerchor Eintracht in Interlaken beizutreten.

Am 12.November 1899 wurden gleich 17 neue Mitglieder in den Verein aufgenommen. Es waren dies: Amacher Friedrich, Frutiger Abraham, Maurer von Golzwyl, Götz Wilhelm, Grossen Christian, Häsler Johann, Schneider, Bönigen, Hess Gottfried, Indermühle Gottlieb, Keller Gottlieb, Kübli Christian, Müller Christian, Müller Gottlieb, Oersinger Louis, Scheu Friedrich, Urfer Gottlieb, Bönigen, Michel Christian, Wenger Friedrich, Wyss Alfred. An den beiden nächsten Versammlungen kamen dazu noch von Allmen Fritz, Fabrikarbeiter, Bleuer Johann, Fabrikarbeiter, Gottier Jack, Kutscher, Rubin Johann, Gipser, Stucki Johann, Handlanger, Wyss Christian, Handlanger, alle von Unterseen, und von Bönigen Michel-Urfer Gottlieb und Seiler Christian, Fabrikarbeiter. Der Arbeiterverein war „stark im Wachsen begriffen". Politische und gewerkschaftliche Fragen beschäftigten die Leute:

1899, den 12.November

„Hernach hielt Genosse Hackenholz von Bern einen lehrreichen Vortrag über Entstehung und Zweck der Arbeiterorganisation und zugleich über die Entwicklung der Grosskapitalisten und deren Ausbeutung betreff der Arbeiterkräfte. Leider musste der Vortrag zu früh geschlossen werden, wegen einer zweiten Versammlung in den 3 Schweizern, betreff Lohnbewegung der Maurer und Handlanger."

Am 25.November musste eine ausserordentliche Versammlung des Vereins zur Kenntnis nehmen, dass der Weiterbetrieb des Konsums wegen seines ungünstigen Standorts in der Goldey in Gefahr sei, aber auch, weil das Depot Unterseen und das Depot Matten vom Hauptdepot in Thun beliefert und die Kosten dafür der Genossenschaft in Thun zu gross würden. Es wurde gewünscht, „dass in hiesigen 2 Ortschaften selbständige Genossenschaften gegründet werden sollten". Ein einheimischer Bäcker wollte ihnen den Kilolaib für 271/2 Rp liefern unter der Bedingung, dass er zu 30 Rp weiterverkauft würde. Eine Versammlung der Konsummitglieder beschloss hierauf am 3.Dezember 1899 die Weiterführung des Ladens in eigener Regie als Konsumgenossenschaft Unterseen .

Schliesslich machte der Vereinspräsident an der Monatsversammlung vom Sonntag nachmittag, den 10.Dezember 1899 die Anregung, „eine Christbaumfeier in unserem Verein zu veranstalten". Er stiess auf Widerspruch, und die Versammlung beschloss mehrheitlich, am Altjahrstag um 11/2 Uhr zusammenzukommen, und an Stelle einer Weihnachtszusammenkunft wurde ein Theaterabend im folgenden Februar beschlossen und dafür eine besondere Kommission eingesetzt. Bertha Steiner erhielt später als Entschädigung für die Übernahme der weiblichen Hauptrolle 5 Franken, und ihrem Vater wurden vier rückständige Monatsbeiträge erlassen. Am Schluss der Versammlung machte der Sekretär „die Anwesenden aufmerksam, dass unter den anwesenden Mitgliedern solche sind, die sich immer mit Streitigkeiten befassen". Er empfahl, „dass sie sich in Zukunft als organisierte Arbeiter mehr zurückziehen von Streitigkeiten, indem es sonst für den Verein nicht Gutes beitragen könnte."

An der ausserordentlichen Versammlung am Altjahrstag, am Sonntag, den 31.Dezember, beklagte sich in einem Brief Genosse Weisang, Wirt zum Anker, dass sein Betrieb gemieden werde. Der Boykott wurde aufgehoben in der Weise,

„dass wenn später sich wieder etwas vorfindet, dann mit anderem Geschütz eingeschritten werden muss. Dagegen wurde die Wirtschaft auf der Thormatte oberhalb Golzwyl boykottiert, weil von dem Wirt einige Genossen zur Wirtschaft hinausgeheissen wurden und obendrauf von Mitgliedern des löblichen Männerchors Golzwyl misshandelt wurden."

Über die Lokalfrage wurde engagiert diskutiert. Da der Verein ein Theaterstück aufzuführen gedachte, wurde ein Wechsel „in den Drei Schweizer" gewünscht, wo sich ein Saal mit Bühne und Theatergraben befinde, was alles gratis zur Verfügung gestellt würde. Sternenwirt Fahrni war daraufhin bereit, sein Lokal ebenfalls gratis zur Verfügung zu stellen und für Heizungs- und Lichtkosten nichts mehr zu verlangen.

„Darauf wurde einstimmig beschlossen, dasselbe wieder zu behalten, da man fand, hier wegen Zuhörerschaft am sichersten zu sein."

Da die Gemeindeversammlungen an Wochentagen in der Regel während der normalen Arbeitszeit stattfanden, war ihr Besuch mit Lohnausfall verbunden, sodass nur wenige Mitglieder des Arbeitervereins daran teilnahmen. Um den Besuch zu fördern, wurde angeregt,

„dass diejenigen, welche an den Gemeindeversammlungen beiwohnen, von

2 Monatsbeiträgen entlastet werden oder eine Entschädigung in Geld erhalten sollen. Auch soll an der letzten Sitzung vor der Gemeindeversammlung angefragt werden, wer derselben beiwohnen will."

Ein Beschluss in dieser Sache wurde nicht gefasst. Dafür wurde die letzte Versammlung des Jahres am letzten Tag des Jahrhunderts mit einem besonderen Neujahrswunsch geschlossen:

„Auch macht Genosse Präsident Grünig die Anwesenden aufmerksam, dass sie sich übers Neujahr recht betragen als organisierte Genossen, was lebhaft unterstützt wurde."

Das Vereinsjahr wurde mit der ersten Hauptversammlung am Samstag, den 14.Januar 1900 nachmittags abgeschlossen. Anwesend waren 51 Mitglieder.

Weitere Tätigkeiten 1900 - 1902

1900 - Am 4.Februar traten Ulrich Steiner, Vater, Sager „in hier", und Johann Steiner, Sohn, Zimmermann, dem Arbeiterverein bei, darauf am 11.März „wurde in unsern Verein einstimmig Alfred Seiler von Bönigen, Wirt zu den 3 Schweizern in hier, aufgenommen". Es wurde beschlossen, „von den Mitgliedern 50 Cts. pro Woche einzuziehen zu Gunsten der streikenden Schreiner in hier". Es dürfte sich um einen Streik in der „Chalet- und Parquetfabrik" gehandelt haben.

Am 28.April beschloss der Verein mit 11 gegen 6 Stimmen, die Teilnahme an der Maifeier jedem Mitglied freizustellen. Am Maifeier-Umzug bildete der Arbeiterverein Unterseen die neunte Gruppe. Zudem wurde angeregt, „der Verein möchte die Sonntage ein wenig in Corpore zubringen, indem dies auf andere Vereine und andere, die nicht organisiert sind, bessern Eindruck mache".

Am 19.Mai wurde die Umwandlung des Arbeitervereins in einen „Handlangerbund" abgelehnt und weiter beschlossen, dass bei der Abstimmung über das Gesetz der Kranken- und Unfallversicherung mit Anschluss an die Militärversicherung sämtliche zur Urne gehen sollten, und dass man „in Corpore hier vom Lokal aus zum Stimmlokal gehe". Für die Grossratswahlen waren zwei Kandidaten aufgestellt und dazu empfohlen, „man möchte sich an Herrn Dennler in Interlaken halten", weil man glaube, „dieser würde unsere Interessen mehr verfechten sowie für die Bahnhoffrage mehr einstehen".

Für den 26.Juni wurde wiederum ein Waldfest geplant. Dabei sollte „die Einweihung der neuen Fahne des Gypser- und Malerfachvereins stattfinden". Aus der Vorbereitung des Festes werden Einzelheiten in der Organisation der Arbeiterschaft ersichtlich. Über die Unterhaltungsspiele wurde am 2.Juni beschlossen:

„Das Sackgumpen wird ausgelassen; durchgeführt werden:

1. der Weggli-Esset vom Zimmerleutefachverein,

2. das Flobertschiessen vom Schreinerfachverein,

3. das Lotteriespiel vom Allgemeinen Arbeiterverein Unterseen,

4. das Blecheschiessen vom Gipser- und Malerverein, und

5. das Ringwerfen von der Metallarbeitergewerkschaft .

Die Festwirtschaft übernimmt die Arbeiterunion, welche in 3 Büffet eingeteilt wird. Es soll nicht nur die hiesige Musikgesellschaft zur Mitwirkung angefragt werden, sondern auch andere der Umgebung."

Das sommerliche Waldfest war damals also ein von der Arbeiterschaft organisiertes Volksfest.

Am gleichen 2.Juni wurde über die Gründung eines „Baufachvereins" berichtet und am 16.Juni trat Gottfried Wyss, Spinner, von Habkern, dem Verein bei. Dann wurde auf ein vom Bundeskomitee zugestelltes Schreiben mit 13 zu 7 Stimmen beschlossen, dem Gewerkschaftsbund beizutreten und als Folge den Monatsbeitrag von 40 Cts. auf 60 Cts. zu erhöhen.

Am 30.Juli wurde der Antrag gestellt, „man möchte bei den Gemeinnützigen Vereinen und Frauenverein Interlaken die Anregung machen, dass vorab in Unterseen ein Kindergarten errichtet werde zu Gunsten der Arbeiterklasse von Unterseen, was vom Verein allgemein anerkannt wurde."

Das Gesuch landete schliesslich beim Gemeinderat Unterseen, der die Sache „für die gegenwärtige Lage zu köstlich" fand. Anschliessend wurde beantragt, den Fahnenfonds zu äuffnen, „indem das Vorhandensein einer Fahne im Verein mehr Eifer und Zusammenhang erwirken würde."

Am 29.September wurde gerügt, „dass die durchreisenden Handwerksburschen auf der Naturalverpflegungsstation schlecht behandelt werden vom Polizeidiener Balli. Genosse Wymann stellte den Antrag, ein Schreiben an den Gemeinderat einzusenden, was einstimmig beschlossen wurde."

 

Am 10.November nahm die Versammlung zur Kenntnis, „dass als Glied der Union der Arbeiterverein der Parquet-Chaletfabrik Interlaken aufgenommen" worden sei. Und die Christbaumfeier könnte der Männerchor Eintracht durchführen, doch der Verein beschloss eine solche auf Sonntag, den 30.Dezember, wobei „zur Verschönerung der Feier etwas Theatralisches" vorzusehen sei. „Nach der Sitzung wird von den Anwesenden das von Genosse Peter Hirni bestellte Bierfässlein geleert, was unter den Anwesenden noch eine gemütliche Unterhaltung gab." An der nächsten Versammlung vom 2.Dezember wurde für das Theater am Altjahrssonntag das Stück „Die Prozesslustigen" ausgewählt und dafür vier Schauspieler bestimmt.

An der das zweite Vereinsjahr abschliessenden Hauptversammlung am 27.Januar 1901 wurden zwei neue Mitglieder aufgenommen, Huggler Friedrich, Maschinist und Frick Karl, Schreiner und der Vorstand neubestellt. Darauf wurden Sammlungen „für streikende Metallarbeiter in Uzwyl und für die Streikenden in Arbon" durchgeführt und schliesslich

„die übriggebliebenen Christbaumlose versteigert, was noch den Betrag von Fr.3.55 ergab. Auf Antrag des Vorstandes wurde beschlossen, das Geld gemeinschaftlich zu vertrinken, was auch geschah. Nun gings über zur gemütlichen Unterhaltung, wobei noch dem Genossen Seiler Alfried ein Liter aufgebürdet wurde. Auch der abtretende Präsident musste Leih halten für einen Liter sowie der neugewählte Präsident für einen Liter. So ging es zu bis abends spät mit Singen und Jodeln. Fürwahr eine muntere Gesellschaft war beieinander. Unter anderem wurde auch der Beschluss gefasst, das Mitgliederverzeichnis, welches von Genosse Balsiger ausstaffiert wurde, einzurahmen. Ferner ermahnte uns Genosse Grünig zum Zusammenhang des Vereins, wo auch das schöne Wort zur Geltung kam: 'Einigkeit macht stark'. Die Gemütlichkeit, welche uns zu einem Familienabend ermahnen konnte, wurde um abends 8 Uhr geschlossen, und hoffen, auch fernerhin auf gemütliche Zusammenhänge unserer Genossen."

Mit diesem begeisterten Bericht schloss der abtretende Sekretär seine sonst eher trockenen Protokolle.

1901 - Am 9.Februar 1901 organisierte sich der Verein unter neuer Leitung zum Theaterspielen und bestimmte zur Aufführung die beiden Stücke „Der Bund der drei Länder von 1291" und „Ein lustiges Verhör des Präsidenten Donnergueg mit dem Schang Himmelhoch". Die Abrechnung darüber zeigte im Mai ein Defizit von Fr.39.75. Am 2.März wurde ein Beitrag von Fr. 5.- an die Fahne des Männerchors Eintracht beschlossen, und in das Gewerbliche Schiedsgericht wurde am 16.März ein Beisitzer gewählt. Am 30.März wurde eine Boykottierung der Restaurants Krone und Stadthaus besprochen, und am 20.Mai wurde davon Kenntnis genommen, dass der Arbeiterverein mit dem Grütliverein ein gemeinsames Programm für den nächsten Winter aufstellen wolle. Dazu wurde jeder organisierte Arbeiter zum Eintritt in die Grütli-Schützengesellschaft ermuntert und beschlossen, dass sich der Arbeiterverein im folgenden Herbst photographieren lasse.

Demonstrationen erregten die Gemüter. Ein Teilnehmer berichtete am 31.August über einen Protestumzug und eine Grossversammlung, die am 25.August 1901 zur Unterstützung von Streikenden in Bern durchgeführt worden war und worüber protokolliert wurde:

„Mittags um zwölf Uhr wurde der Zug eingestellt und punkt 1 Uhr war Abmarsch durch die Hauptgassen und zurück auf den Waisenhausplatz.

Hier eröffnete Genosse Schnitzler, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes die Versammlung. Dann betrat Genosse Egerter, Präsident des Organisationskomitees die rote, mit grünem Laube geschmückte Bühne und erklärte, es hätten sich 467 mit Mandaten versehene Delegierte von 387 Vereinen mit 274 Fahnen angemeldet. Am Zug beteiligten sich

4 Tausend Personen und auf dem Waisenhausplatz waren etwa 8000 versammelt. Nun betrat Genosse Sigg aus Genf die Bühne und hielt in französischer Sprache ein feuriges Referat. Grossrat Moor, der dann als zweiter Redner das Wort nahm, hielt in einer einstündigen Rede ein Referat, in dem er erklärte, die Kantonsregierungen und der hohe Bundesrat hätten sich als treue Knechte des grosskapitalistischen Unternehmertums erwiesen, wie sie es bei den Streiks in Brig, Chiasso, Rorschach, Arbon, Uzwil und Payerne bewiesen haben, wo sie die Streikenden in die Gefängnisse steckten. Die Hand auf das Parlamentsgebäude weisend, sprach er: Ihr Nichtswürdigen, werdet würdig! Mit einem begeisterten Hoch auf die freie Schweiz, die wir meinen, auf die freie Schweiz, mit einem freien, glücklichen Geschlecht, schloss Moor seine stürmisch applaudierte Rede.

Dann trat Nationalrat Triquet als dritter Redner auf die Bühne. Nun wurde zur Wahl einer Kommission geschritten, welche am Montag dem Bundesrat die Resolution und die Willensäusserung der Teilnehmer an der Protestversammlung überbringen sollte. Es wurden gewählt Nationalrat Triquet und Kantonsrat Sigg in Genf, Sekretär Calame in Zürich, Grossrat Reimann in Biel und die Grossräte Zgraggen und Moor in Bern. Schluss der Versammlung um 4 Uhr. Mit den Worten, es möchten die Genossen immer fest an der Organisation festhalten und die Tagwacht abonnieren, schloss der Delegierte Wyss seinen Bericht."

Gleichentags wurden für eine weitere Demonstration als „Protestversammlungs-delegierte" je ein Vertreter des Arbeitervereins, des Grütlivereins, des Malerfachvereins, der Metallarbeitergewerkschaft, des Zimmerleutefachvereins, des Arbeitervereins Chalet- und Parquetfabrik, der Typographia, der Schneidergewerkschaft und des Unionsvorstandes bestimmt.

Am 8.Oktober wurde das Durchführen der üblichen Christbaumfeier beschlossen und zur Aufführung ein Einakter mit dem Titel „Der Spuk in der Cantine oder ein fideler Christabend" bestimmt. Der Vorstand bestellte 20 Grütlikalender und forderte die Mitglieder auf, diese zu kaufen, „denn der Grütlikalender ist der einzige richtige Arbeiterkalender, welcher unsere gute Sache vertritt". Am 2.November wurde empfohlen, das Büchlein mit dem Titel 'Der Kampf ums Recht' des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes in Zürich zu kaufen. Darin „sind die Gründe zur Protestversammlung am 25.August in Bern klargelegt, sowie die groteske Antwort des Schweizerischen Bundesrates."

Am 30.November wurde „beschlossen, an den Kreiskommandent Frutiger in Brienzwyler das Gesuch zu schreiben, ob wir nicht zu unsrer Christbaumfeier vier Militäruniformen für das Theaterstück brauchen dürfen." Gleichenabends wurde auch darüber gestritten, ob der Verein seinen Mitgliedern nicht selber Cigarren verkaufen könnte, um seine eigene Kasse aufzubessern. Am 14.Dezember wurde zum vollzähligen Besuch der bevorstehenden Gemeindeversammlung aufgerufen, und „dass wir alle einstimmig für unsern Kandidat Zimmermann einstehen. Denn wenn wir Stimmenzersplitterung in unsern Reihen halten würden, so täten wir uns selber schaden."

 

Im Jahre 1901 wurden als neue Mitglieder in den Verein aufgenommen: Baumann Johann, von Grindelwald in Unterseen, Baumann Peter, Maurer, Bhend Gottfried, Zimmermann, Christian von Allmen, Gasarbeiter, Flühmann Peter, Handlanger von Brienzwiler in Unterseen, Frick Johann, Zimmermann, Gafner Alfred, Schreiner, Götz Friedrich, Handlanger, Hirni Albert, Handlanger, Hirschi Ernst von Schangnau in Unterseen, Huggler Robert, Handlanger, Michel Jakob, Handlanger, Michel Johann, Gipser, Richard Fritz, Gipser, Rufener Gottfried, Schreiner, Schmocker Albert, Steinbrecher von Ringgenberg in Unterseen. Die Hauptversammlung fand am 22.Januar 1902 statt. Die Teilnehmerzahl an den Monatsversammlungen war inzwischen auf 10 gesunken. Der Vorstand wurde neu bestellt. Der Arbeiterverein sucht seine Attraktivität durch das Theaterspielen zu verbessern. Für den Familienabend wurden zwei Einakter bestimmt: „Stumme Liebe oder der Militärarzt" und „Neutral".

1902 - Am 25.Januar 1902 wurde ein schriftlich beantragter Austritt bewilligt, da „Fritz Zenger einen kleinen Lohn beziehe in der Fabrik, so dass die Kosten für die Vereine nicht überall hinreichen. Der Austritt wird somit genehmigt." Der Arbeiterverein Bönigen lud zum Besuch seines Theaters ein, worauf beschlossen wurde, „auf Sonntag abend sich auf dem Lokal zu versammeln und in Corpore nach Bönigen zu marschieren. Der Vereinspräsident warf die Frage auf, „ob es nicht tunlich wäre, der Arbeiterverein als Mitglied in den Kantonalverband bernischer Grütli- und Arbeitervereine einzutreten." Der Beitritt wurde „ohne lange Diskussion" beschlossen.

Am 8.Februar wurde die Einladung des Grütlivereins Interlaken angenommen, an ihrer Volksversammlung zu erscheinen, da Genosse Armenkassier und Grossrat Scherz aus Bern ein Referat über das Steuergesetz des Kantons Bern halten werde. „Da gerade der Grütliverein nicht mit uns Hand in Hand geht, so wünschen dennoch die Genossen Häsler, Seiler, Steiner und Wyss, zahlreich zu erscheinen in ihrer Versammlung." Gleichzeitig wurde ein Schreiben des Centralkomitees des Schweizerischen Grütlivereins aus Luzern verlesen und kommentarlos zu Kenntnis genommen, mit der Empfehlung, „in den Kantonalverband der Union oder als Lokalverein in die Sozialdemokratische Partei einzutreten."

Am 22.Februar lag ein Programm des Männerchors Eintracht Interlaken zu einem Konzert vor, „worauf sich einigen Genossen für den Nichtbesuch desselben aussprechen, da öfters von einigen Mitgliedern des Männerchors über den Arbeiterverein geschimpft wird."

Am 27.Februar wurde „für eine richtige Theatervorstellung" das Stück „Der Fabrikler, oder falsche Freundschaft" ausgelesen.

Am 22.März lag in den Korrespondenzen ein Aufruf des Arbeiterbundes Pruntrut vor, „in welchem wir auch um Unterstützung gebeten sind, zur Deckung der Prozesskosten, welche ihnen vom Bezirksgericht Pruntrut ungerecht auferlegt wurden, da sie nur die Wahrheit veröffentlichten über die Firma Westermanns Cie in Zürich." Auf den 1.Mai hin wurden 100 Flugblätter von Paul Pflüger, Pfarrer von Zürich, von dem übrigens zwei Brüder längere Zeit in Unterseen wohnten, bestellt. Im Verschiedenen rügte Präsident Steiner angesichts eines Versammlungsbesuchs von nur 10 Anwesenden „den Schlendrian von Seite der Vereinsmitglieder, welcher seit einiger Zeit wieder eingerissen ist. Er fordert die Genossen zu einer bessern Mitwirkung auf, damit der Verein auf eine bessere Bahn kommt."

Am 3.Mai wurden die anwesenden stimmfähigen Genossen aufgefordert, bei den Grossratswahlen für Herrn Amtsnotar Hirni zu stimmen und „morgen mittag 1 Uhr sich hier zu versammeln und in Corpore zum Stimmlokal zu gehen." Über die Verabfolgung eines Beitrages an das Bezirksspital wurde vom Vorstand der Antrag gestellt, 10 Fr. an dasselbe zu leisten, was trotz leerer Kasse einstimmig beschlossen wurde. Als Bergtour wurde die Route über Bönigen aufs Faulhorn und über die Grosse Scheidegg ins Rosenlaui hinab nach Meiringen und von dort zurück mit Bahn und Schiff vorgeschlagen. Einzelnen erschien die Tour zu streng; sie schlugen vergeblich eine solche auf das Schilthorn vor. Ausgeführt wurde am 9. und 10.August dann trotzdem die Schilthorntour, mit Besammlung Samstag abends um 8 Uhr in den Drei Schweizern und Abmarsch um 9 Uhr.

Am 17.Mai wurde angesichts des schlechten Versammlungsbesuchs ein Übergang vom 14-tägigen zum monatlichen Zusammenkunftsrhythmus beschlossen, doch schon am 5.September wieder zur alten Regel zurückgekehrt. Im Verschiedenen wurden schliesslich die Anwesenden aufgefordert, „an der Volksversammlung, welche in acht Tagen stattfindet, vom Arbeiterverein der Parquet & Chaletfabrik Interlaken anberaumt, an welcher Genosse Ferdinand Thiess, Redaktor aus Zürich referieren wird über 'Zweck der Organisation', Mann für Mann teilzunehmen." Zudem seien keine neuen Bibliothekstatuten zu erstellen, bevor die Bibliothek nicht einen grösseren Wert darstelle; trotzdem wurden sie ausgearbeitet und 14 Tage später genehmigt.

Obwohl der Vorstand der Arbeiterunion an einem gemeinsamen Waldfest nicht mitmachen wollte, wurde am 14.Juni die Durchführung trotzdem beschlossen. Weiter sollte die Gründungsversammlung eines Zimmerleutefachvereins besucht werden, um dort zu versuchen, eine Holzarbeitergewerkschaft entstehen zu lassen, wofür der Arbeiterverein der Parquet & Chaletfabrik den Namen herzugeben bereit war.

Am 28.September fand eine Unionsversammlung statt, mit einem Referat von Gottfried Reimann aus Biel, der später dort Stadtpräsident wurde. Am 4.Oktober berichtete der Präsident über eine Delegiertenversammlung der Oberländischen Grütli- und Arbeitervereine, „dass viele Vereine, seien es Grütli- oder Arbeitervereine, wegen schlechtem Zusammenhang genötigt sind, sich aufzulösen, wo nicht ein Gesamtverband derselben besteht." Die Oberländischen Vereine sollten zusammen einen Kreisverband bilden. Für die bevorstehenden Nationalratswahlen wurde eine „Einerliste" aufgestellt „in der Person unseres Genossen Scherz, Armenkassier und Grossrat in Bern." Dessen Grosssohn war später Direktor des Palacehotels in Gstaad.

Die Holzarbeitergewerkschaft beklagte sich, dass sie vom Unionsvorstand nicht recht behandelt werde und führte weiter an, „dass der Unionsvorstand nur aus Grütlianern bestehe". Ferner solle die Union das vorhandene Geld des aufgelösten Zimmerleutefachvereins herausgeben. Zur Beilegung der Streitigkeiten zwischen der Holzarbeitergewerkschaft und dem Unionsvorstand wurde ein Schiedsgericht bestellt.

Die traditionelle Christbaumfeier fand am 31.Dezember im Drei Schweizer statt, die Hauptversammlung zum Jahr 1902 jedoch erst am 3.Februar 1903. Dort wurde beschlossen, dem am 8.März 1903 zu gründenden oberländischen Kreisverband der Grütli- und Arbeitervereine vorläufig nicht beizutreten.

Während des Jahres 1902 waren als neue Mitglieder aufgenommen worden: von Allmen Johann, Küfer von Unterseen, Drossel Oskar, Schneider, von Strahlsund, Preussen, Schmid Ernst, Schneider, von Waldsee, Würtenberg, Gysi Christian, Schneider, von Unterseen, Tanner, Maler, Zurbrügg Adolf, Handlanger, von Frutigen, und Mägli Fritz, Bäckermeister, von Oberbipp, spendete aus Freude über seine Aufnahme in den Verein einen Doppelliter Wein zum Preis von Fr.2.50 für die sieben anwesenden Mitglieder. Dagegen wurden wegen Nichtbezahlung der Beiträge an der Hauptversammlung zehn Mitglieder aus dem Verein ausgeschlossen.

Die letzte protokollierte Zusammenkunft 1903

Der Ausschluss von Vereinsmitgliedern und innere Spannungen führten zum Zusammenbruch des ersten „Allgemeinen Arbeiter-Vereins Unterseen". Die einzige protokollierte Zusammenkunft im fünften Vereinsjahr fand am 9.April 1903 statt. Der Präsident Johann Steiner resignierte: „Indem der Verein keinen grossen Zuzug von frischen Mitgliedern zu verzeichnen hat, und die gegenwärtige Mitgliedschaft keine Lust zum Besuch der Sitzungen zeigt", wurde das Vereinslokal aus dem Drei Schweizer zum Genossen Zimmermann verlegt, der für das Material ein besonderes Kästchen bereitstellte. Die Genossen Zimmermann und Mägli äusserten sich dahin, „den Verein auf politischem Wege wieder auf die Höhe zu bringen, ohne den Grütliverein auf irgendwelche Weise zu schädigen. Es sei daher auf solche Mitglieder meistens zu agitieren, die noch keinem Verein angehören, davon ja auch genug sind, die nicht dem Grütliverein sich anschliessen, was eher beim Arbeiterverein der Fall sein könnte." Der Kern des Arbeitervereins liess sich offensichtlich vom Misserfolg nicht entmutigen und wollte weitermachen und setzte für den 2.Mai 1903 eine nächste Sitzung an. Das Protokollbuch blieb aber leer.

Über die Tätigkeit des ersten Allgemeinen Arbeiter-Vereins Unterseen ist zusammenfassend festzuhalten, dass die Mitglieder gemeinsam politische Vorträge besuchten und der Verein selber solche durchführte; man sammelte für notleidende Streikende unter den Mitgliedern Geld; der Verein organisierte die Teilnahme an der Maifeier und an Demonstrationen. Delegierte nahmen an Grossdemonstrationen in Bern teil und berichteten daheim über das politische Geschehen in Bern und in der Eidgenossenschaft. Daneben erfüllte der Verein eine von den Mitgliedern aus gesehen noch fast wichtigere Aufgabe. Er bot die Gelegenheit, im Kampf um die gesellschaftliche Anerkennung zu zeigen, dass die Arbeiter ausser ihrem beruflichen Können noch über viele andere Fähigkeiten verfügen. Dies geschah mit der Organisation von sommerlichen Waldfesten, von unterhaltenden Theateraufführungen, fröhlichen Familienabenden mit Musik und Tanz, mit gemeinsamen Bergtouren, Christbaumfeiern. Alle die vom Verein erwarteten Aktivitäten waren aber kaum zu erfüllen. Die Mitglieder zerstritten sich in der Folge wegen (zu) kleiner Mitgliederbeiträge und des Geldmangels in der Kasse. Schliesslich verlor sich der Verein in seinem Theaterspiel, das wohl den kulturellen Bedürfnissen der nicht auf der Sonnseite des Lebens stehenden Mitglieder entgegenkam, aber die Möglichkeiten des Vereins auf die Dauer überforderte. Trotz der zur Aufführung gebrachten fragwürdigen Stücken ist dieses Bemühen rührend und anerkennenswert.